Dashain

Nachdem wir vom Urlaub zurückgekommen sind, gab es erst einmal eine Menge Veränderungen. Ellen, die Leiterin der Organisation, ist zurück nach Deutschland gegangen und leider auch unsere guten Freundinnen Bella und Aileen. Dafür sind aber 7 neue Praktikanten gekommen. Jetzt sind wir ganze 17. Das hört sich viel an, war in den Ferien aber auch sehr hilfreich. Von Anfang bis Mitte Oktober hatten die Kinder keine Schule, weil das zweite Viertel des Schuljahres vorüber war und das große Fest Dashain gefeiert wurde. Der Grund des Festes ist der Sieg der Götter über die Dämonen. Man könnte den Stellenwert von Dashain mit Weihnachten vergleichen, weil alle Familien zusammenkommen, um gemeinsam zu feiern. Deshalb sind auch einige Kinder, vor allem ältere, für ein paar Tage in ihre Dörfer zurückgekehrt, um Dashain mit ihrer Familie zu verbringen. Im Kinderheim wurde das Fest nur an einem Tag richtig gefeiert. Jeder hat eine Tika bestehend aus Reis, Banane, Joghurt und rotem Pulver auf die Stirn, zwei Bananen, einen Apfel und heiliges Gebetsgras bekommen. Uncle, der Koch des Kinderheims und gleichzeitig der Vater des nepalesischen Leiters, klebte „heilige“ Kuhfladen und Gebetsgras auf den Türrahmen der Eingangstür. Außerdem wurde noch eine riesige Schaukel aus Bambus gebaut. Die Schaukel war über mehrere Tage lang von morgens bis abends von Kindern besetzt. Aber ab und zu durften wir Praktikanten auch mal darauf schaukeln. Oft auch zusammen mit Kindern, weil es einige gab, die Angst hatten oder sogar geweint haben. Für deutsche Kinder ist eine Schaukel etwas fast schon Alltägliches, die Kinder im Kinderheim können dagegen nur einmal im Jahr für ein paar Tage schaukeln. Für Dashain wurden außerdem noch zwei Ziegen im Hof geschlachtet. Wir und einige andere Praktikanten und ältere Kinder schauten dabei zu. Das klingt zwar brutal, aber im Wissen, dass die Ziegen aus Raj Kumars Dorf ein deutlich besseres Leben hatten als ein Tier in der deutschen Massentierhaltung und da die Ziege von einer auf die andere Sekunde tot war, war es auch für uns als Vegetarier auf jeden Fall vertretbar.
Ein großes Projekt in den Ferien war die Bemalung einiger Wände am Fußballplatz und des Klohäuschens. Am ersten Tag wollte jeder mit malen, das Ganze ist dann auch etwas ausgeartet und die Kinder haben wild drauflos gemalt. Auf den Tischtennisplatten und an den Wänden wurde überall der Fußballheld „Neymar“ oder der eigene Name verewigt. In den darauffolgenden Tagen haben wir die größten Patzer zusammen mit den Kindern mit schönen Bildern übermalt, Neymar ist ihnen hier und da aber trotzdem noch geblieben. Ansonsten haben wir in den Ferien auch Theaterstücke und Tanzchoreographien mit den Kindern eingeübt, weil es bei dem nächsten Fest namens „Tihar“ eine große Aufführung vom Kinderheim gibt. Dort werden Ellen mit ihrer Reisegruppe, Nachbarn und auch Lehrer der Schule im Publikum sitzen. Die Kinder sind jetzt schon aufgeregt.

Tee trinken vor Himalaya-Panorama

In den letzten zwei Wochen sind wir leider nicht dazugekommen einen Blogeintrag zu schreiben, weil zum einen Annas Laptop kaputt ist und Anna zum anderen auch sehr krank war. Jetzt haben wir aber einen Laptop geliehen und werden über den letzten Teil unserer Reise berichten.

Am Freitag, den 23.9. sind wir morgens mit dem Bus von Pokhara in Richtung Kathmandu gestartet. Der Bus war der bislang beste, aber auch dieses Mal hatten wir Pech, weil wir 3 Stunden lang in einem Stau standen, der sich bis rein nach Kathmandu zog. Dort wurden wir am frühen Abend von Raj Kumar, dem Mann der unsere Reise organisiert hat, nach Nagarkot gefahren. Nagarkot ist ein Dorf etwa 30 km entfernt von Kathmandu und liegt auf einem Hügel auf etwa 2200 Höhenmetern. Es ist relativ touristisch, aber das nur aus einem Grund: wenn die Sicht gut ist, hat man einen tollen Blick auf das Himalaya-Gebirge. In der Hoffnung etwas zu sehen, sind wir am Samstagmorgen um 5 Uhr aufgestanden, nur leider hatten wir wie in Pokhara relativ schlechte Sicht. Nachdem wir in unserem Bed&Breakfast-Hotel lecker gefrühstückt hatten, sind wir mit leichtem Gepäck zwei Stunden lang zu Raj Kumars Dorf gelaufen. Der steile und steinige Weg führte an vielen kleinen Dörfern mit 3 bis 5 Häusern, die meistens aus Lehm und Blech bestanden und an Reis- und Maisfeldern vorbei. Uns kamen viele, teils auch alte Leute, mit riesigen Grasbüscheln oder Körben voller Mais entgegen. Im Dorf angekommen erblickten wir ein relativ großes und modern aussehendes Haus. In diesem Haus leben die Eltern von Raj Kumar und seine Frau, von denen wir herzlich empfangen wurden. Raj Kumar selbst kommt nur einmal die Woche vorbei. Ansonsten lebt er in einer Wohnung in Kathmandu. Raj Kumar erzählte offen über seine arrangierte Ehe und darüber, dass er die Ehe hauptsächlich eingegangen ist um seine Eltern, die ihren älteren Sohn im Erdbeben verloren haben, glücklich zu machen. Auf Nachfrage hat er bestätigt, dass die Eltern die Frau auch als Arbeitskraft brauchen, da der Vater gehbehindert ist und nicht mehr auf dem Feld arbeiten kann. Er gab auch zu, dass seine Frau nicht sonderlich glücklich darüber ist, dass sie sich nur so selten sehen. Er selbst wirkte sehr froh nicht ständig im Dorf leben zu müssen.
Nachdem wir Dal Bhat gegessen und ein kleines Mittagsschläfchen gemacht hatten, führte Raj Kumar uns im Dorf herum. Zuerst kamen wir an eine Lehmhütte, in der drei alte Leute im Dunkeln saßen. Nach einer kurzen Begrüßung wurden wir direkt zum Tee hereingebeten. Mit der Zeit kamen immer mehr Kinder und andere Dorfbewohner und gesellten sich dazu. Raj Kumar übersetzte unsere und deren Fragen und Antworten. Sie wollten wissen, ob die Schulbildung kostenlos ist, wie alt wir sind, ob jedes Kind zur Schule geht und auch ob wir das Erdbeben gespürt haben. Die meisten Leute in hohem Alter sind nicht zur Schule gegangen, 1950 gab es gerademal 300 Schulen in ganz Nepal. Da gerade die Älteren wenig anderes zu sehen bekommen haben als Dörfer und Dorfbewohner, waren sie von der Tatsache, dass wir weiße Haut und blonde Haare haben, fasziniert. Uns wurden trotz unseres verschwitzen und verdreckten Auftretens Komplimente über unser schönes und sauberes Aussehen gemacht. Außerdem waren sie verwundert, wieso wir in so ein armes Land wie Nepal kommen.Als wir uns für ein Gruppenfoto vor der Hütte aufstellten, bemerkten wir, dass wir die Frauen trotz unserer durchschnittlichen Größe um einen Kopf oder sogar mehr überragten. Noch vor dem Haus bemerkten wir plötzlich, dass eine ganze Bergkette des Himalayas zu sehen war. Völlig aufgedreht bestiegen wir das Dach eines Hauses und schossen Bilder vor der wunderschönen Bergkulisse. Prompt wurden wir in diesem Haus auch auf einen Tee eingeladen. In dem Raum, in dem wir unseren Tee tranken, lief sogar ein Fernseher. Raj Kumar betonte, dass es diesem Dorf noch relativ gut ginge. Durch die Nähe zu Kathmandu gibt es Elektrizität, was in den meisten anderen Dörfern in Nepal nicht der Fall ist. Viele besitzen ein kleines Handy, Raj Kumars Frau sogar ein Smartphone.
Am Abend wurden wir noch ein drittes Mal von einer Familie zum Tee eingeladen. Vor deren Blechhütte, die von Ellens Organisation finanziert wurde, konnten wir den wunderschönen Sonnenuntergang beobachten. Bei dem Rundgang durch das Dorf konnte man sehen, dass es Raj Kumars Familie finanziell am besten geht. Aber auch die Menschen, die in einfacheren Verhältnissen leben, wirkten zufrieden und fröhlich. Nach einem zweiten Dal Bhat ging es dann auch schon ins Bett. Am nächsten Tag liefen wir mit Raj Kumar wieder zurück nach Nagarkot, verbrachten noch eine Nacht dort und fuhren am Montag zurück nach Kathmandu.

Der Besuch in Raj Kumars Dorf war eines unserer Highlights, weil wir bisher nur den touristischen Teil Nepals kannten. Die Herzlichkeit der Leute dort hat uns sehr berührt und wir haben vor, im Dezember eventuell noch einmal zurück zu kommen.